Naher Gott – ferner Gott?

Pastor Ulrich Krämer, Flughafenseelsorge

Bild: Bornemann
Bild: Bornemann

Wo ist Gott eigentlich, nah oder fern? Das ist zunächst eine Frage an unser Empfinden. Wir werden diese Frage vermutlich sehr unterschiedlich beantworten. Für die Einen ist Gott nah und schenkt Geborgenheit, für die Anderen zu nah und bedrohlich.  Den Einen ist er fern und das ist auch gut so. Die Anderen wünschen ihn sich aber näher, als sie ihn empfinden.  Wir Pastoren predigen vor allem immer wieder den nahen Gott, der uns liebevoll umgeben möchte.

Der Prophet Jeremia hat einmal sehr deutlich davor gewarnt Gott nur nah zu glauben: „Bin ich nur ein Gott, der nahe ist, spricht der HERR, und nicht auch ein Gott, der ferne ist?“ Jer 23,23.

Ich möchte eine Übersetzung mit meinen eigenen Worten wagen: „Nein, ich bin kein nur lieber Gott, der euch beliebig zur Verfügung steht; der immer nur tröstet und euch stets nah und freundlich zugewandt ist. Ich bin kein Gott, der sich als Projektionsfläche eurer Wünsche anbietet. Ich stehe zur billigen Legitimation Eures Handelns und zur Erfüllung aller eurer Sehnsüchte nicht zur Verfügung. Ich gehe manchmal auch auf Distanz zu euch.“

Jeremia lässt Gott eine klare Grenzziehung vornehmen. Dieser Gott entzieht sich unserer Beliebigkeit und Manipulation. Es ist eine klare Ansage Gottes gegen falsche Propheten, gerade jene mitten in Gesellschaft und Kirche, die den Menschen nach dem Mund reden. Sie bieten die Nähe Gottes billig feil, in der Hoffnung so Menschen für den Glauben zu gewinnen.

Gott ist ebenso ein Gott der Nähe und der Ferne. Erst seine Ferne macht seine Nähe so wertvoll. Dabei meint seine Ferne keineswegs Abwesenheit oder gar ein Desinteresse an uns. Auch in der Ferne hat Gott den Menschen im Blick. Der ferne Gott erfüllt Himmel und Erde. Er  befindet sich nicht auf dem Rückzug  von seiner Welt und den Menschen. Er hat nur die Perspektive gewechselt.

Der Wechsel von Nähe und Distanz ist für Gott existenziell, ein Zeichen seiner reifen Liebe. Er gehört aber auch unter uns Menschen zu einem gelingende Leben dazu. Aus der Ferne betrachtet erscheinen Dinge und Personen anders als aus der Nähe. Darum hilft es manchmal schwierige Situation aus einem Abstand heraus bedenken. Distanz eröffnet andere Perspektiven und erlaubt einen klaren Überblick.

Das gilt besonders für intime und familiäre Beziehungen. Aber auch für die Beziehungen am Arbeitsplatz oder unter Freunden ist der Wechsel von Nähe und Distanz wichtig. Auch der Kirche und Gesellschaft gegenüber kann die Distanz zeitweilig das legitime Mittel der Wahl sein.

Amen.

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